Monsanto auf Deutsch

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Autor vollendete das Werk im Gießener Gefängnis: Brisantes Buch über Seilschaften der Agro-Gentechnik erscheint!

Gießen | Die Mühen haben sich gelohnt. Ab Stichtag 21. Dezember ist das neue Buch des im Gießener Gefängnis inhaftierten Gentechnikkritikers und Feldbefreiers Jörg Bergstedt im Verkauf. „Monsanto auf Deutsch“ heißt es und zeigt minutiös die Verflechtungen zwischen Behörden, Konzernen, Lobbyisten und Forschung in der Agro-Gentechnik aufzeigen. Dass die Enthüllungen brisant sind, zeigten Gerichtsverfahren, die bis zum Sommer in Saarbrücken liefen mit dem Ziel, die Veröffentlichung zu verbieten. Doch der Autor gewann am Ende, sein Wissen darf weiter in die Öffentlichkeit. Da nun will er mit seinem Buch umfassend tun. Ergänzt hat er die Recherchen über Seilschaften um wichtige Kapitel zur Praxis der Gentechnikanwendung, die schönen Versprechungen der Technikentwickler und ihre Widerlegung, die Lüge der Koexistenz, die Schlampereien an den Feldern und die repressive Verfolgung der KritikerInnen. Gießen ist in dem Buch gleich zweimal vertreten. In einem Kapitel werden Sicherheitsmängel, Betrug und Fälschungen beim ehemaligen Gengerstefeld der Justus-von-Liebig-Universität aufgelistet, zum anderen soll ein Bericht über den Verlauf des Strafprozesses gegen die Gießener FeldbefreierInnen zeigen, wie eine einseitige Justiz die Interessen der städtischen Eliten unterstützte.

Der Autor selbst kann seine Rechercheergebnisse bis zu seiner Haftentlassung nur sehr schwer öffentlich machen. Daher hofft er auf eine weite Verbreitung des Buches. Zudem wird in der Projektwerkstatt in Reiskirchen-Saasen eine DVD bereitgehalten, auf der ein Vortrag des Autors zum Thema aufgezeichnet wurde.
Das neue Buch ist im SeitenHieb-Verlag erschienen und kann über den Buchhandel, den Verlag und in der Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen (www.aktionsversand.de.vu) bezogen werden. Naturkostläden in Gießen und Umgebung unterstützen das Erscheinen des Buches und bieten das Buch zum Verkauf an.

Eine weitere Informationsseite mit Downloadmöglichkeit der Kapitel als PDF (Bilder niedrig auflösend) findet sich unter http://www.projektwerkstatt.de/gen/buch, zudem ist über http://www.biotech-seilschaften.de.vu ein Internetbereich zum Thema zu erreichen.

Infotext zum Buch
„Monsanto auf Deutsch“ – schon der Titel trägt den Widerspruch in sich. In Deutschland wird zur Agro-Gentechnik vor allem über den US-amerikanischen Konzern geredet. Blicke hinter die Kulissen der deutschen Akteure, immerhin drei Global Player und viele Kleinfirmen, fehlen bislang. Dieses Loch will das im Dezember 2010 erschienene Buch füllen. 240 Seiten sind mit Informationen über Personen, Organisationen, Behörden, Lobbytätigkeit, Geldflüsse und konkreten Beispieln gefüllt. Zu allem finden sich präzise Quellenangaben. Seite für Seite erfolgt ein tiefer Blick in die Seilschaften der Agro-Gentechnik.
Die ersten Kapitel drehen sich um die Verflechtungen zwischen Behörden, Firmen, Lobbyvereinen, PR-Agenturen und WissenschaftlerInnen. Immer wieder ziehen die gleichen Personen in verschiedenen Funktionen an den Strippen, zwischen allen Beteiligten besteht ein enges Geflecht, in dem sowohl Genehmigungsbehörden wie auch Geldgeber voll mitspielen: Noch nie ist ein Feldversuch mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland abgelehnt worden. Staatliche Mittel schmieren den Betrieb. Dabei wird belogen und betrogen, was das Zeug hält. Dieser Beschreibung der Netzwerke fügt Autor Jörg Bergstedt einen zweiten Teil an. Nun werden an konkreten Fragestellungen die Strategien der Gentechnikbranche dargestellt: Ihre Propaganda und was davon zu halten ist. Das Spiel mit der Koexistenz. Die Repression gegen KritikerInnen. Hinzu kommt ein Kapitel über ein konkretes Feld: Betrug, Fälschungen und Schlampereien sind die Realität draußen, wo die Pflanzen stehen. Über 2000 Quellenangaben und ein präzises Stichwort- und Personenverzeichnis machen das Buch zu einem Lexikon der Agro-Gentechniknetzwerke. Eine erschreckende Sammlung, die Wut macht.

Zur Entstehungsgeschichte:
Schon die 32-seitige Broschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit“ machte Wirbel. Erschienen erstmals im Juni 2009, deckte sie den Filz zwischen Firmen, Behörden, Lobbyverbänden und Wissenschaft in der Agro-Gentechnik auf. Die erste Auflage von 50.000 Readern war nach zwei Monaten vergriffen, zwei weitere Auflagen wurden inzwischen gedruckt und verteilt. Einige der Angegriffenen, deren Machenschaften in der Broschüre dargestellt wurden, versuchten über ihnen bekannte Gerichte die Kritik zu verbieten. Was anfangs gelangt, wurde zum Eigentor: Am 25. August 2010 erklärte das Oberlandesgericht in Saarbrücken die gesamten Enthüllungen für rechtmäßig.
Nun folgt der Broschüre ein dickes Buch – die gesammelten Recherchen des Gentechnikaktivisten Jörg Bergstedt.
Vollenden musste er das Werk im Gießener Gefängnis. Denn dort sitzt der Autor bis zum 22.3.2011 wegen der Verurteilung aufgrund einer Feldbefreiung in Gießen.

Zum Autor:
Jörg Bergstedt ist Aktivist. Das betont er immer wieder: „Am Schreibtisch schlau daher reden und Spendengelder oder Titel zu sammeln, ist zu wenig“. Aber er will wissen, was er kritisiert. Seine Blicke hinter die Kulissen waren schon bei früheren Aktionen seinen GegnerInnen ein Graus. Hessens damaliger Innenminister und heutiger Ministerpräsident ließ den unbequemen Aktivisten zusammen mit Polizei und Justiz ins Gefängnis werden. Die Straftaten dazu hatten sie erfunden. Doch Bergstedt nahm die Herausforderung an und veröffentlichte zahlreiche präzise recherchierte Fälle aus Polizei und Justiz, zusammengestellt in seinem Buch „Tatort Gutfleischstraße. Die Fiesen Tricks von Polizei und Justiz“. Seit 2006 widmete er ein Augenmerk zum zweiten Mal der Agro-Gentechnik. Neben Feldbesetzungen und Feldbefreiungen begann er Recherchen. Entsetzt über die seltsamen Schwerpunktsetzungen bei Grünen und Umweltverbänden, die mit Risikodebatten vor allem WählerInnen und SpenderInnen sammelten, aber bei Aktionen und Kritiken meist nur die US-amerikanische Firma Monsanto bedachten, die deutschen Gentechnikkonzerne aber verschonten, begann er, die Geflechte der deutschen Agro-Gentechnik zu untersuchen. Seine erste Veröffentlichung dazu wurde zu einer der weit verteilsten Kritikschriften zu Agro-Gentechnik in Deutschland: „Die zentralen Apparate von Umweltverbänden und Parteien wollten von der Broschüre gar nichts wissen, aber in den Basisgruppen war sie wichtig“, erinnert sich der Autor. Nun legt er nach und hat seine sämtlichen Rechercheergebnisse zu einem umfangreichen Buch zusammengefügt.
Ob er wieder Angst hat, vor Gericht gezerrt zu werden? Jörg Bergstedt hält das für wahrscheinlich: „Es gibt genügend käufliche RichterInnen und StaatsanwältInnen in diesem Land, die alles verteidigen, was Geld und Macht bringt“. Aber Angst hat er dafür nicht: „Sollen sie doch. Wenn Uwe Schrader Greenpeace öffentlich zum Dialog auffordert und mir das Maul verbieten will, sagt er deutlich, vor welchen Wahrheiten er sich fürchtet“. Bergstedt will mit seinem Buch die Debatte um die Hintergründe, die Machtpotentiale der Technik und das politische Geschachere stärken: „Wir dürfen nicht immer nur über Risiken reden, sonst ebnen wir denen, die ihre Produkt- und Methodenentwicklung als Risikoforschung verschleiern, selbst den Weg“.

Übersicht über die Kapitel:

Kapitel 1: Das Geflecht in fünf Teilen und die Steigerungen

Kapitel 2 bis 6: Die fünf Teile der Seilschaften
– Firmen
– Behörden
– Forschung
– Lobbyverbände
– Parteien

Kapitel 7 bis 10: Besondere Blickwinkel
– Ballungszentren und Knotenpunkte
– Propaganda und Wirklichkeit der Agro-Gentechnik
– Die Jahrhundert-Lüge: Koexistenz
– Können sie Landwirtschaft? Ein Feld im Visier

Kapitel 11 und 12: Repression
– Der Staat und sein Schwert I: Maulkörbe
– Der Staat und sein Schwert II: Wegsperren

Kapitel 13: Zahme und lahme Gentechnikkritik

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http://www.neues-deutschland.de/artikel/189085.don-quichotte-schlaegt-zurueck.html

Von Susanne Götze 22.01.2011 / Wirtschaft
Don Quichotte schlägt zurück

Gentechnikgegner Jörg Bergstedt schreibt über die Machenschaften von Monsanto

Der Gentechnikgegner Jörg Berg-stedt hat ein Buch über die Machenschaften der Gentechnik-Lobby in Deutschland geschrieben und gnadenlos mit den internen Verflechtungen zwischen Politik, Forschung und Wirtschaft abgerechnet.
Wenn Jörg Bergstedt ein Buch schreibt, ärgern sich nicht nur große Konzerne und bekannte Politiker. Ohne Rücksicht auf Verluste greift der Anarchist alles und jeden an, der sich seiner Ansicht nach an dem großen Spiel der Machenschaften um Macht und Einfluss beteiligt. Seit einigen Jahren kämpft Bergstedt leidenschaftlich gegen die Gentechnik-Lobby. Mehrere Male beteiligte er sich an »Feldbefreiungen«, bei denen gentechnikveränderte Pflanzen (GVO) von Aktivisten ausgerissen werden. Im September musste Bergstedt deshalb für sechs Monate ins Gefängnis – das ist die längste Haftstrafe, zu der ein »Feldbefreier« bis jetzt verdonnert wurde. Er nutzte die Zeit, um seine Enthüllungsbroschüre »Organisierte Unverantwortlichkeit« über die unlauteren Praktiken der GVO-Lobby zu einem Buch auszuarbeiten. Das Buch »Monsanto auf Deutsch, Die Enzyklopädie der Gentechnik-Seilschaften« hat sich seit Erscheinen laut den Herausgebern schon über 1000 Mal verkauft.

Im Gegensatz zum 2008 von »Arte« ausgestrahlten Dokumentarfilm »Monsanto, mit Gift und Genen« über die Machenschaften des Konzerns handelt das Buch von Bergstedt ausschließlich vom Einfluss der Gentechniklobby in Deutschland. Auf rund 240 Seiten durchleuchtet er alle gesellschaftlichen Bereiche auf ihr Verhältnis zu den Gentechnikkonzernen sowie deren Praktiken, sich in Deutschland Gehör zu verschaffen. Dabei lässt er nichts aus: Angefangen bei den Beamten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bis hin zum Landwirtschaftsministerium, aber auch von Universitäten, Forschungsinstituten, Lobbyverbänden bis hin zu den Praktiken der GVO-Konzerne selbst. Vor allem der politische Sumpf raubt dem unbedarften Verbraucher alle Illusionen. Jede Partei, von CDU bis zur Linkspartei, ist auf ihre Weise mit dem GVO-Clan verbandelt. Was die Behörden wie das BVL betrifft, musste der Autor nicht mal investigativ tätig sein, da sich die betreffenden Beamten gerne öffentlich als GVO-Fans bekennen. Überhaupt sind einige Forscher und Politiker sehr offen in ihrem parteiischen Bekenntnis, sodass Bergstedt neben internen Mails und Papieren nur die Mitgliederlisten der jeweiligen Verbände, Pressemitteilungen oder Lebensläufe durcharbeiten musste, um die Seilschaften beim Namen nennen zu können.

Verschont werden in dieser Abrechnung auch die eigentlich »Guten« nicht. Das überrascht wenig, denn schon mit anderen Beiträgen wie seinem 2004 erschienenden Band »Mythos Attac« hat sich Bergstedt auch in der eigenen Szene unbeliebt gemacht. Auch in seinem neuen Buch werden bekannte Netzwerke wie Campact oder auch Umweltverbände der Übernahme von »herrschaftsnahen« Praktiken und Strategien schuldig gesprochen. So prangert der Autor deren unzählige Unterschriftenkampagnen und »bequeme« Onlinepetitionen an und verhehlt dabei nicht seine tiefe Verachtung für die modernen Wohnzimmerrebellen.

Besonders in diesem Kapitel zeigt sich deutlich die Schwäche des Buches: Trotz guter Recherchen und einem wichtigen Anliegen verspielt der Autor seine Seriosität oftmals durch beißende Polemik – die ein solches Buch im Übrigen auch gar nicht nötig hat, da die Fakten für sich sprechen. Zu befürchten ist deshalb, dass dieses Buch – gerade in Kreisen, wo es erschüttern solle – ignoriert wird. Aufdeckungen wirken meist am nachhaltigsten, wenn sie seriös und objektiv aufgemacht sind. Selbst wenn Bergstedt mit vielen seiner Argumente und Enthüllungen recht hat, werden seine Gegner ihn durch die polemische Aufmachung nicht ernst nehmen. So wird Bergstedt ungewollt zum Don Quichotte der Anti-Gentechnikbewegung, obwohl seine Recherchen das Zeug hätten, Furore zu machen.

Jörg Bergstedt: »Monsanto auf Deutsch. Die Enzyklopädie der Gentechnik-Seilschaften«, ISBN 978-3-86747-043-8, Verlag: SeitenHieb, 240 Seiten, 18 Euro

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